Die Geschichte der HORTEN Brüder
Die Brüder Reimar (* 2. März 1915 in Bonn; † 14. März 1994 in Argentinien) und Walter (* 13. November 1913 in Bonn; † 10. Dezember 1998 in Baden-Baden) Horten lebten in Bonn-Poppelsdorf. Die beiden Autodidakten waren Pioniere bei der Entwicklung der Nurflügel-Flugzeuge, die sie auf dem Flughafen Bonn-Hangelar erprobten. Sie hatten noch einen weiteren Bruder Wolfram (* 3. März 1912 in Bonn; † 20. Mai 1940), der im Zweiten Weltkrieg bei Dünkirchen in einer Heinkel He 111 abgeschossen wurde. Die Brüder wurden von ihren Eltern sehr unterstützt. So wird berichtet, dass sie sogar das Esszimmer der Familie zeitweise als Werkstatt nutzten.
Die Horten-Brüder waren zu Zeiten des Ersten Weltkriegs noch Kleinkinder. Ihr Heranwachsen in den Nachkriegszeiten führte sie schon früh auch an die Luftfahrttechnik heran.
In jungen Jahren bauten sie zunächst flugfähige Nurflügel-Modelle, ab 1933 (Horten H I) folgten Segelflugzeuge, die bei Wettbewerben recht erfolgreich abschnitten.
1934/1935 folgte die H II Habicht, in welcher der Pilot in liegender Position flog. Die H II wurde später auch mit einem Hirth-HM-60-Motor mit 60 PS ausgerüstet. Unter anderem ist von der Fliegerin Hanna Reitsch ein Testbericht über einen Flug unter der Kennung D-11-187 erhalten, der die diversen Eigenheiten des Modells dokumentiert und unter anderem vermerkt, dass ihre Arme zu kurz waren, um den Fahrwerkhebel zu bedienen.[1]
1936 wurden sie Offiziere der deutschen Luftwaffe. 1937 veranlasste Walter in Lippstadt den Bau von drei H II, diesmal jedoch mit Sitzplatz. Motoren konnten nicht mehr eingebaut werden. Reimar wurde nach Köln versetzt. Dort baute er die H III, die der H II im Wesentlichen glich, jedoch eine größere Flügelspannweite hatte. Etwa 13 Exemplare wurden gebaut, einige nahmen an den Segelflugmeisterschaften 1938 und 1939 in der Rhön teil. Zudem entstand die H IIIc mit Vorflügeln. 1938 erreichte eine H III eine Höhe von fast 7000 Metern.
Die H III soll auch als Horten Ho 250 bezeichnet worden sein.[2]
1938/1937 entwickelten die Brüder Horten die H V mit Unterstützung der Firma Dynamit Nobel AG, die ihren Kunststoff „Trolitax“ an der H V testen wollte. Beim Testflug der zweimotorigen Maschine mit Schubpropellern stürzten sie ab, erlitten dabei jedoch lediglich einen Kieferbruch sowie den Verlust eines Zahnes. Daraufhin wurden die Motoren weiter nach vorne versetzt und mit einer längeren Propellerwelle versehen. Die H Vb, bei der kein Trolitax verwendet wurde, wurde 1938 erfolgreich geflogen, danach jedoch wegen der Kriegsereignisse stillgelegt.
1938 wurde zur Untersuchung des „Mitteneffektes“ auch die „Parabel“ gebaut, deren Form an ein Samenblatt der Zanonia erinnert. Über den Winter verzog sich das Flugzeug jedoch so stark, dass es verbrannt wurde, ohne je geflogen zu sein.
Verhandlungen mit Heinkel und Messerschmitt im Jahre 1939 scheiterten. Walter wurde bei Kriegsbeginn als Technischer Offizier zunächst Jagdflieger und flog eine Bf 109 an der Westfront, bis alle Technischen Offiziere von der Front abberufen wurden. Er war zeitweise Flügelmann von Adolf Galland und erzielte dabei neun Abschüsse in der Luftschlacht um England. Auch Reimar wurde zum Bf-109-Piloten ausgebildet, kam dann aber zu einer Segelflugschule, wo bereits einige Kranich–Segelflugzeuge für die Operation Seelöwe zum Munitionstransport vorbereitet wurden, um einige wenige Horten H II und Horten H IIIb ebenso umzurüsten.
Dass die Brüder in den Kriegsjahren ihre Entwicklungen weiterbetrieben, kann durchaus als ungewöhnlich angesehen werden, zumal die Segelflugzeuge und Motorsegler nur bedingt für den militärischen Einsatz taugten und Ressourcen immer knapper wurden.
Als 1940/41 die Vorbereitungen zur Invasion Englands abgebrochen wurden, bauten Luftwaffenangehörige in Königsberg den Hochleistungssegler Horten H IV. Der Pilot nahm in diesem Flugzeug eine kniende Position ein, Heinz Scheidhauer führte den Jungfernflug durch. Drei weitere H IV wurden in Göttingen gebaut.
Die H IV soll auch als Horten Ho 251 bezeichnet worden sein.[2]
Danach wurde eine H III b gebaut, die von einem Walter-Mikron-Motor angetrieben wurde.
Um das Schmitt-Argus-Pulstriebwerk zu testen, wurde die zweisitzige Horten H VII gebaut, die über zwei Schubpropeller verfügte und die Möglichkeit bot, ein Pulstriebwerk anzubringen. Dieser wurde jedoch nie eingebaut. Die H VII wurde aber als Schulflugzeug genutzt. Ende März 1945 wurde noch ein Auftrag für 20 Maschinen erteilt, die als Schulflugzeuge für den geplanten Einsatz der Ho 229 vorgesehen waren.
Daraufhin wurden weitere H III gebaut: eine H IIIe mit VW-Motor, drei H IIIf mit liegender Pilotenposition und zwei H-IIIg-Zweisitzer.
Die Horten H VI war ein reiner Hochleistungssegler. Er entstand auf Basis der Horten H IV, jedoch mit größerer Spannweite. Der erste von insgesamt zwei gebauten Seglern wurde Ende 1944 erstmals geflogen. Die Flugeigenschaften waren sehr gut.
Der Entwurf für eine Horten H VIII wurde nicht realisiert. Er sah zwei Rumpfanbauten vor: einen zum Lastentransport und einen als „fliegender Windkanal“.
Als 1943 das Strahltriebwerk Junkers Jumo 004 verfügbar war, arbeiteten die Brüder Horten an einem Flugzeug, das die von Hermann Göring geforderte „1000-1000-1000-Spezifikation“ erfüllen sollte: Es sollte 1000 kg Bombenlast bei 1000 km/h Geschwindigkeit 1000 km weit tragen können. In Göttingen entstand unter der Bezeichnung „Sonderkommando IX“ der Nurflügler Horten H IX – ein großteils aus Holz gebauter Zweistrahler, der zwar 1944 erstmals flog, allerdings bei einem späteren Testflug nach einem Triebwerkausfall abstürzte.
Die Serienausführung sollte die Bezeichnung Horten Ho 229 tragen. Eine modifizierte H III – die H XIII – sowie zwei H VI wurden für weitere Flugtests verwendet, vor allem, um den „Mitteneffekt“ zu untersuchen. Ein Exemplar der H IX wurde 1945 von der US-Army in die USA verbracht.
Im Dezember 1944 wurde ein Exemplar der Horten H IV in Bad Hersfeld mit einer Laminarprofil-Tragfläche gebaut und als H IVb bezeichnet. Das Profil kopierte man von einer North American P-51, nachdem bei Windkanalversuchen der DVL hierfür überraschend geringe Widerstandswerte gemessen worden waren. Bei einem Versuchsflug am 18. Januar 1945 in der Nähe von Göttingen stürzte das in Trudeln geratene Flugzeug ab, wobei der Pilot zwar aussteigen konnte, sein Fallschirm sich aber nicht mehr öffnete. Die Produktion von weiteren zehn Exemplaren wurde nach dem Unfall gestoppt.[3]
Ein weiteres Projekt, das dieses Tragflächenprofil nutzte, war die zweisitzige Horten H XII, die von einem 90 PS starken DKW-Motor angetrieben werden sollte. Dieses Flugzeug wurde Ende 1944 einem kurzen Testflug unterzogen, der jedoch zu kurz war, um die Tragflächeneigenschaften ausreichend beurteilen zu können. Das Flugzeug war zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht motorisiert.
Als Horten H X wurde der Entwurf eines überschallschnellen Flugzeugs mit konventionellem Seitenleitwerk bezeichnet, der in Bad Hersfeld entstand. Einige Modelle wurden gebaut, und ein Segler war im Bau, als 1945 die Amerikaner eintrafen – der Segler war zuvor zerstört worden.
Die Horten H XI war ein Segelflugzeug mit 8 Metern Spannweite und Kunstflugeigenschaften, das in Bad Hersfeld gebaut wurde.
Die Horten H XIII war ein Segelflugzeug mit sehr starker Flächenpfeilung (60° an der Vorderkante). Die Pilotenkanzel war unterhalb der Tragfläche angebracht, der Steuerknüppel hing von oben herab.
Dieser Segler lieferte die ersten bemannten Testergebnisse für den geplanten späteren Überschallflug mit der H X. Weil das H-X-Überschallprojekt geheimgehalten werden sollte, wurde statt "X" die Bezeichnung "XIII" verwendet. Die Testergebnisse ergaben ein zufriedenstellendes Verhalten. Lediglich die Rollwirkung war bei Geschwindigkeiten ab 150 km/h kaum vorhanden. Bei der ersten Landung kollidierte die Maschine mit einem Zaun, wahrscheinlich bedingt durch die Unterschätzung des Bodeneffektes, der zu einer verlängerten Anschwebestrecke führte.
Im April 1945 wurde eine verkleinerte Variante der H VI fertiggestellt, die H XIV. Der Versuch, sie zu verstecken und durch die amerikanische Front zu schmuggeln, scheiterte. Das Flugzeug wurde entdeckt und zerstört.
Am 12. März 1945 wurde noch ein Vertrag über die Entwicklung der Horten H XVIII geschlossen – eines Langstrecken-Nurflügel-Bombers, der in der Lage sein sollte, die USA zu bombardieren.
Die Produktion sollte auf Drängen Hermann Görings am 1. April 1945 im und am Walpersberg bei Kahla beginnen. Eine 100 Meter lange hölzerne „Forschungshalle“ der Horten-Brüder stand an der Nordseite des Berges. Laut Aussage von Zeitzeugen war die Halle beim Eintreffen der Amerikaner am 12. April 1945 besenrein verlassen. Beweise über den Beginn der Produktion fehlen bis heute.
Nach dem Krieg war in Deutschland die Entwicklung neuer Flugzeuge bis 1950 verboten. Um weiterarbeiten zu können, gab es zunächst Kontakte zu Großbritannien, aber da konkrete Verträge ausblieben, bleiben sie zunächst in Deutschland. Reimar studierte Mathematik. Walter bewarb sich 1947 beim US-Flugzeughersteller Northrop, der ebenfalls schon seit längerem Flugzeuge nach dem Nurflügel-Prinzip konzipierte. In der Folge nahm der Firmengründer und Flugzeugentwickler Jack Northrop zu Reimar Kontakt auf, zu einer Zusammenarbeit kam es jedoch nicht.
Reimar Horten ging daher 1948 schließlich nach Argentinien. Dort wurden im gleichen Jahr unter der Bezeichnung I. Ae. 34 a zunächst drei zweisitzige Segelflugzeuge gebaut – die Horten-interne Bezeichnung war H XVa. Ihr folgten zwei Exemplare der einsitzigen Variante, der I. Ae. 34 m oder H XVb. Die Forderung von Segelflugclubs nach einem Flugzeug mit zwei nebeneinander angeordneten Sitzplätzen führten zum Bau von vier I. Ae. 41 bzw. H XVc. Am 30. Oktober 1956 überflog Heinz Scheidhauer damit als erster Mensch in einem Segelflugzeug die Anden. Vier weitere Exemplare dieses Typs wurden nach unvollständigen Plänen in Deutschland gebaut.
1950 wurde für einen Segelflugclub in Buenos Aires die H XVI „Colibri“ gebaut. Sie sollte klein und einfach zu fliegen sein. Beim ersten Testflug verlor Scheidhauer beim Schleppstart die Kontrolle, und das Flugzeug zerschellte am Boden. Heinz Scheidhauer trug nur kleinere Verletzungen davon.
Als 1951 in Deutschland wieder der Bau von Segelflugzeugen möglich wurde, begann der in Deutschland verbliebene Walter Horten auf Basis der H III die Konstruktion eines Nurflügel-Modells mit der Bezeichnung Horten Ho 33. Gebaut wurde dieser dann bei der Alfons Pützer KG in Bonn. Als Motor sollte ein 50-PS-Motor von Zündapp, Typ Z9-092, verwendet werden. Das Flugzeug wurde wegen des noch gültigen Bauverbotes für Motorflugzeuge zunächst als Segelflugzeug gebaut, der Erstflug erfolgte 1954. Die Motorisierung und vorläufige Verkehrszulassung (Kennzeichen: D-EJUS) wurde im Rahmen eines Forschungsauftrages des Bundesverkehrsministeriums durch die Flugwissenschaftliche Vereinigung Aachen 1920 e. V. (FVA) unter der Projektbezeichnung FVA-17 durchgeführt. Erst 1957 konnte der erste Motorflug durchgeführt werden. Schon drei Jahre später musste das (durch die Umbauten deutlich zu schwer gewordene) Flugzeug wegen Fehlern in der Verleimung verschrottet werden. Bereits 1955 wurde ein zweites Exemplar mit Porsche-Antrieb gebaut, Kennung D-EGOL, das heute dem Wasserkuppe-Museum gehört und dort als Segelflugzeug V 1 mit Fehlern zurückgebaut wurde.[4]
In den 1950er Jahren entstand im Auftrag der argentinischen Regierung der Deltaflügler I.Ae 37 mit liegender Pilotenposition, der hervorragende Flugeigenschaften aufwies. Darauf basierend wurde das Konzept für ein zweisitziges überschallschnelles Flugzeug mit der Bezeichnung I.Ae 48 entwickelt. Beides wurde von der Regierung jedoch überraschend gestoppt, offiziell aus Gründen der Finanzierung, jedoch wird angenommen, dass die weltweite Abkehr von Deltaflugzeugen zu dieser Zeit die eigentliche Ursache war. Die für die Flügelform typische Stärke bei der Effizienz zwischen Mach 1 und Mach 2 scheint somit kein entscheidendes Kriterium für diesen Entschluss gewesen zu sein.
1950 war auch der Beginn eines Projektes für ein Nurflügel-Frachtflugzeug mit der Bezeichnung I.Ae. 38. Auslöser war die Forderung, Apfelsinen aus der argentinischen Provinz kostengünstig über 1000 km nach Buenos Aires transportieren zu können. Die Steuerungskinematik wurde von der Horten H II übernommen. Das Flugzeug sollte mit vier Triebwerken und Schubpropellern angetrieben werden. Erst 1960 konnte der Erstflug erfolgen. Das Flugzeug wurde anschließend jedoch verschrottet, und das Projekt wurde beendet.
Ebenfalls 1950 wurde in Argentinien mit der Konstruktion einer überarbeiten Version der H I begonnen, der H Ib, die 1954 fertiggestellt wurde und daraufhin 25 Jahre erfolgreich flog. Danach stand sie mehrere Jahre in einem Flugzeughangar. Sie wurde 2007 aufwendig restauriert und machte am 1. Februar 2008 ihren zweiten erfolgreichen Erstflug.
1954 wurde eine Reihe sehr kleiner leichter fahrwerkloser Hängegleiter unter der 1945 bereits verwendeten Bezeichnung H X gebaut.
Zuletzt (Meilensteine 1992 bis 1997) entstand mit Unterstützung durch Reimar Horten bei der Firma Nurflügel Flugzeugbau die PUL-10, ein kleines Nurflügel-Leichtflugzeug mit Schubpropeller und zwei nebeneinanderliegenden Sitzplätzen.
Quelle: 2016 de.wikipedia.org/wiki/Gebr%C3%BCder_Horten